Gott als Person begegnen

Teil 1 Kapitel 2, Seite 24 ff
Um mit Gott zu leben, muss ich Gott als Person anerkennen. Das klingt selbstverständlich und ist es auch. Doch im konkreten Leben wird es manchmal schwierig. So kann für mich Gott eine Kraft sein, eine höhere Macht. Und er ist es auch, aber eben als Person. Oder Gott kann für mich Liebe und Güte sein. Auch das ist nicht falsch, wenn ich dabei nicht seine Person vergesse. Ich kann Gott auch in mir finden, oder in meinem Nächsten. Aber gerade hier ist die Gefahr groß, dass ich vergesse, dass schlussendlich Gott als selbständige Person, als Persönlichkeit von mir oder vom Nächsten unabhängig existiert. Es geht darum, immer zuerst einmal Gott als Gott anzuerkennen, bevor ich mich um einzelne Eigenschaften Gottes oder einzelne Möglichkeiten kümmere, Gott zu erfahren. Es geht im Grunde genommen darum zu glauben. Glaube ist eben nicht einfach wissen. Glauben heißt anerkennen, bewusst „Ja" sagen zu dem, was Gott über sich geoffenbart hat. Zu dieser Offenbarung gehört ganz entscheidend die Aussage: „Ich bin der Herr, dein Gott!"

„Ich bin" sagt Gott. In dieser Aussage ist die ganze Personalität Gottes enthalten. Gott ist, wie er ist, unabhängig davon, was ich von ihm weiß, wie ich ihn sehe. „Ich bin der Herr!" sagt Gott, und legt damit das Verhältnis zwischen ihm und mir fest. Wenn er auch noch so sehr Liebe und Güte ist, er ist der Schöpfer und deshalb der Herr. Er mag mir noch so nahe sein. Er ist doch immer größer und wichtiger. ,Jch bin dein Gott", sagt er und verkündet mir so seine Ewigkeit und Unbegreiflichkeit. Die Tatsache, dass er ist, dass er existiert, macht ihn zwar irgendwie fassbar für mich. Dass er aber Gott ist, begründet die Distanz zwischen mir und ihm, zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen, eine unüberwindbare Distanz, unüberwindbar zumindest von meiner Seite her.

Glaube ist auch nicht einfach erfahren. Wie ich Gott erfahre, hängt immer zuerst einmal von mir selber ab. Ich erfahre einen Menschen, ich erfahre auch Gott immer in einem konkreten Rahmen, in meiner gegenwärtigen Stimmung, in meiner aktuellen menschlichen, wirtschaftlichen, sozialen und körperlichen Situation, das heißt mit meinem ganzen Körper und meiner ganzen Psyche, mit all dem, was sich immer wieder mehr oder weniger ändern kann. Meine Erfahrung von einem Menschen, aber auch meine Erfahrung von Gott, ist also immer zuerst einmal ein Produkt meiner selbst. Meine eigenen Grenzen sind es, die der Erfahrung des anderen die Grenzen setzt, also auch der Erfahrung Gottes. Doch über diese Grenzen hinaus geht, was der andere mir über sich mitteilt. Einen Menschen kann ich in seiner Tiefe nur soweit einigermaßen kennen, als es ihm gelingt, sich mir mitzuteilen. So kann ich auch Gott nur dann einigermaßen erkennen, wenn es mir gelingt, die Selbstoffenbarung Gottes, die er mir schenkt, in ihrer ganzen Tiefe zu akzeptieren. Das aber heißt nichts anderes, als zu glauben.

Glaube heißt also immer zuerst einmal „Du bist der Herr, mein Gott!" Glaube heißt also, immer zuerst Gott als Gott anzuerkennen, das heißt als eine Person, die mich in jeder Beziehung übersteigt, die mir aber immer nahe ist, die sich mir mitteilt. Gott ist also immer zuerst ein „Du". Was das heißt, das lernen wir wiederum am besten bei wahrhaft verliebten Menschen. Ein „Du" ist für mich immer nur so viel wert, als ich bereit bin als „Ich" zurückzutreten. Gott als „Du", ist für mich immer nur so viel wert, als ich bereit bin, mein „Ich" vor ihm zurückzunehmen. Dies sollte eigentlich bei Gott viel einfacher sein, als bei einem Menschen. Ich muss nur wahrhaft glauben, dass Gott Gott ist, und nicht einfach irgend etwas.

Und Gott ist eine Person, die ganz real, nicht einfach nur als Reaktion auf mich, auf uns Menschen handelt. Das heißt: Gott handelt. Sein Handeln ist immer zuerst in ihm selber begründet. Es ist immer sein Entscheid, sich mir zuzuwenden, selbst wenn ich immer dieser Zuwendung sicher sein kann. Es ist sein Wunsch, mir zu helfen, auch wenn ich voll auf seine Hilfe vertrauen kann. Es ist aber auch sein Entscheid, wie er sich mir zuwenden und wie er mir helfen will. Der Glaube daran, dass er allwissend und allmächtig ist, kann mir helfen seine Entscheide zu akzeptieren, auch dort, wo ich sie nicht verstehe. „Du bist der Herr, mein Gott", das ist die Grundlage der Heiligkeit. In diesem Bekenntnis gründet sich meine ganze Beziehung zu ihm.

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