Die Freude

Teil 1 Kapitel 12, Seite 48 ff
Wenn Dankbarkeit ein wesentlicher Aspekt der Liebe ist, auch oder gerade der Liebe zu Gott, und wenn diese Dankbarkeit, die aus dem Vertrauen und der Zufriedenheit erwächst, meine Beziehung zu Gott reifer und reicher werden lässt, dann wird sich unwei­gerlich die Freude einstellen. "Freuet euch allzeit in Gott" sagt der Apostel Paulus. Ich habe mich oft ge­fragt, was er damit meint, da sich doch Freude nicht erzwingen lässt. Erst bei der Betrachtung dieser Kette von Zufriedenheit, Dankbarkeit, Liebe ist mir ein we­nig aufgegangen, was er damit sagen will. Die Freude in Gott ist eben nichts anderes als Zufriedenheit, des­halb Dankbarkeit, und darum Liebe. Aus der Liebe zu Gott erwächst die wahre Freude.

Wenn ich mir dies vor Augen halte, dann sollte ei­gentlich nichts und niemand meine Freude stören können. Dem ist leider nicht so. So oft wird meine Freude getrübt. So oft ärgere ich mich oder blase Trübsal vor den Fehlern der anderen, meinem eigenen Versagen und dem, was ich möchte und nicht errei­che. Damit aber beweise ich, dass ich noch ganz am Anfang des Weges zur Heiligkeit stehe. Wie kann ich dem abhelfen? Es gibt - neben der Gnade Gottes - nur eine Möglichkeit: die Übung.

Menschlich gesehen ist es ein eher komischer Ge­danke, die Freude üben zu wollen. Freude kommt, wie die Trauer, aus den äußeren Umständen. Doch dies ist zumindest teilweise ein Trugschluss. Freude und Trauer werden von den äußeren Umständen ausgelöst. Ihre Wurzeln' aber haben sie in meiner Einstellung zum Leben, in meiner Einstellung, meiner Beziehung zu Gott. Nicht umsonst redet die Psychologie von ei­ner positiven Grundeinstellung, die man sich zulegen soll. Auf dem Weg zur Heiligkeit heißt dies, eine Ein­stellung, eine Ausrichtung auf Gott, der ja das Positive schlechthin ist. Eine psychisch positive Grundeinstel­lung lässt mich die Widerwärtigkeiten des Lebens leichter bewältigen, verhindert ein Absinken in Trau­rigkeit. Eine seelische Grundeinstellung auf Gott hin hilft mir zum Vertrauen auf Gott, damit zur Zufrie­denheit, zur Dankbarkeit und schlussendlich zur Lie­be.

Das Üben der Freude besteht also darin, mit dem Ge­danken an Gott im Hintergrund an die Dinge des Le­bens herangehen. Es besteht darin, immer wieder zu versuchen zu vertrauen und dankbar zu sein. Es be­steht eigentlich im Glauben, denn ohne den Glauben an dieses "Du bist mein Herr und mein Gott" kann ich gar nicht positiv zur Welt im allgemeinen und zu mir, meinem Leben und meiner Welt stehen. Im Vertrauen auf Gott, das sich über die Dankbarkeit zur Liebe wandelt, finde ich die Freude, eine stille, bescheidene, aber tiefe Freude, die auch mit den größten Widerwär­tigkeiten fertig werden kann. Aber eben das verlangt Übung. Das fällt mir nicht einfach in den Schoß, das gelingt auch nicht schon beim ersten Versuch. Auf diesem Weg gibt es immer wieder viele, manchmal sehr schmerzhafte Rückschläge. Dieser Weg führt durch manche dunkle Nacht, wo das Vertrauen auf die Probe gestellt wird. Doch es lohnt sich, diesen Weg zu gehen, denn schon bald zeigen sich erste Erfolge, auch wenn sie noch so bescheiden sind, auch wenn sie im­mer wieder durch Rückschläge weggewischt werden. Aber jeder Erfolg bestätigt mich auf dem Weg. Die Freude, die mir so - und wenn auch noch so selten ­zuteil wird, entschädigt für manche harte Stunde.

Die Liebe zu Gott schenkt die Freude. Die Freude wiederum drängt zur Dankbarkeit und die Dankbar­keit fördert die Liebe. Es ist ein Gnadenkreis Gottes. Oder sollte man eher von einer Spirale reden, die sich immer mehr, immer weiter ausdehnt?

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