Das Kirchlein Bernrain

Im Nachlass meiner Mutter befand sich auch dieses alte Stich. In meiner Kindheit hing er über ihrem Bett in ihrer Kammer. Hinten im Rahmen war auch eine Gedicht aufbewahrt, das ihr sehr lieb war.
Das Kirchlein Bernrain

Ich kenne ein Kirchlein, so friedlich und schön;
Still steht es und einsam auf sonnigen Höh'n.
Dort wird's mir im Herzen so seltsam zu Mut,
Gedenk ich der Erde vergängliches Gut.
O Kirchlein dort oben, so schmucklos und klein,
Getaucht in des Abends hell goldenen Schein,
Ernst schaust du hernieder auf Tal und auf See,
Erregst mir die Seele mit Lust und mit Weh.
Doch gebettet an schattigen Waldessaum,
Da ruhet viel Liebes in tödlichem Traum;
Und hoch über Gräbern, am Kreuzesstamm,
Ragt Hoffnung und Sehnsucht zum Himmel hinan.
O Kirchlein, o Friedhof im sonnigen Glanz.
Geschmückt durch die Liebe mit Sinnbild und Kranz,
Es ist eine heilige Feier allhier,
Als neigte der Himmel sich näher zu dir;
Und wenn ich einst werde gestorben sein,
So drücke mein Hügel kein köstlicher Stein.
O lasst mich dann schlafen am sonnigen Rain
Bei Waldessang, Blumen und Sonnenschein.


*****