Gebete

Stefan Fleischer
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Gott ist katholisch

Er ist allumfassend, er ist ganz.

Mein Herr und Mein Gott.

Du bist ganz Liebe. Das glaube ich. Du bist aber auch ganz Gerechtigkeit. Auch das ist mein Glauben. Du bist ganz Barmherzigkeit. Du bist aber gleichzeitig jener, welcher mir entgegen tritt mit dem Anspruch: «Ich bin der Herr, Dein Gott, Du sollst …» Ja, Du bist mein Schöpfer und mein Herr. Und doch bist Du auch ganz mein Vater und mein Bruder.

Du bist mir ganz nahe. Das glaube ich. Du bist aber auch der ganz Ferne, der Unnahbare. Du bist jener, den die Himmel und die Himmel der Himmel nicht zu fassen vermögen. Und doch nimmst Du mich bei der Hand und führst mich. Du bist der Allwissende und gleichzeitig jener, der sich für mich interessiert, sich um mich kümmert. Du bist der Allmächtige. Du bist aber auch – je vielleicht gerade deswegen – jener, welcher mir Freiheit schenkt. Du bist jener, welchem aller Ruhm und jede Ehre gebührt und diese auch fordert. Doch Du bist auch ganz jener, welcher sich mit dem Gestammel eines kleinen Kindes begnügt. Du bist Liebe und Du bist Gott. Du bist der liebe Gott.

Du warst schon als es noch keine Zeit gab und Du wirst immer noch sei, wenn es einmal keine Zeit mehr geben wird. Du bist ewig. Und doch bist Du jetzt ganz bei mir, bei uns, in diesem Augenblick, in dieser Zeit, in dieser vergänglichen Welt. Doch Du bist nicht nur bei mir. Du bist auch bei allen anderen Menschen, bei jedem Einzelnen, genau so ganz wie bei mir. Du bist ganz in dieser Welt, aber auch ganz im ganzen Universum, ja über die Grenzen des Universums hinaus. Du warst in den früheren Zeiten und bist genauso jetzt und wirst genauso in Zukunft sein.

Du bist nicht an Raum und Zeit gebunden. Und doch hast Du mit uns Raum und Zeit geteilt in Deinem Sohn, unserem Herrn Jesus Christus. Du hast unser Leid mit uns geteilt. Du hast unseren Tod mit uns geteilt. In Deiner Auferstehung aber hast Du uns Deine Unsterblichkeit gezeigt, ja mehr noch: Durch sie hast Du uns unsere Unsterblichkeit wieder geschenkt. In all dem aber bist Du der Herr geblieben. Wir sehen Dich am Kreuz für uns, für unsere Sünden sterben, Dich, welcher mit einem Allmachtswort alle Sünden aller Menschen aller Zeiten und Orte hätte wegwischen, oder auch mit dem gleichen Wort uns Menschen, die ganze Erde hätte auslöschen können.

Du bist ganz aufgefahren in den Himmel. Und Du bist ganz bei uns alle Tage bis ans Ende der Zeit. Und Du bist seit Deiner Erlösertat noch in einer ganz anderen Art und Weise bei uns, immer als der ganze, unendliche Gott, hier aber ganz klein, unscheinbar, ja nur für den Glauben erkennbar, im Allerheiligsten Sakrament des Altares. Du bist ganz gegenwärtig sowohl im Brot wie im Wein. Du bist ganz gegenwärtig in jedem Teil, jedem Teilchen der Hostie, in jedem Tropfen des Weines. Und Du bleibt ganz einer in all den vielen Hostien, in all dem Wein, welche über den ganzen Erdkreis jetzt konsekriert werden, je konsekriert wurden und auch später noch konsekriert werden.

Du bist Gott. Du bist der Einzige und der Eine und keine Spaltung und Trennung ist in Dir. Und doch bis Du drei, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Jede dieser drei Personen ist ganz Gott. Und doch sind alle zusammen nur ein Gott. Ist das vielleicht die tiefste Bedeutung dessen, was wir katholisch, allumfassend nennen, jene absolute Einheit, welche alles zu einem einzigen Ganzen vereint, was in sich vielfältig ist, ja manchmal sogar als gegensätzlich erscheinen mag. Unsere Sprache, ja unser ganzes menschliches Denken, versagt vor diesem Geheimnis, in welchem Du Dich uns offenbarst.

Du offenbarst Dich uns. Nicht wir haben Dich erkannt. Du hast Dich uns zu erkennen gegeben. Du gibst Dich uns zu erkennen in einer Art und Weise, welche unser Verstand als wahr und in sich logisch akzeptieren kann. Du gibst Dich dem Weisen und Gelehrten ganz zu erkennen, das heisst soweit er dazu fähig ist. Du gibst Dich aber genauso dem Kleinen und Einfachen ganz zu erkennen, in einem gewissen Sinn meist sogar noch besser, tiefer, beglückender als den Klugen. Denn die Gelehrsamkeit des Menschen bleibt gerne an den Details hängen. Das kleine Kind denkt und fühlt noch viel mehr in einer Gesamtsicht. So dürfen und sollen auch wir vor Dir, unserem Herrn und Gott, wie kleine Kinder werden, wie diese denken, Dich immer möglichst ganz und unteilbar und doch so vielfältig anzunehmen, wie Du bist. So dürfen auch wir neugierig immer mehr über Dich wissen, Dich immer mehr erfahren, in eine immer bessere Beziehung zu Dir treten wollen, wenn wir dabei Deine Grösse und Unergründlichkeit nie vergessen.

Mit dieser kindlich demütigen Neugier dürfen wir dann auch an die Lehre unserer Kirche, an unseren ganzen, katholischen Glauben herangehen, aus deren Schatz wir, wie der kluge Hausvater der Schrift, immer wieder Altes und Neues hervorholen können. Unser ganzer, katholischer Glaube ist ja ein solch allumfassendes Geschenkt, dass wir es in diesem Leben nie ganz werden ausschöpfen können.

Das ist ja das spannende, das beglückende, das herausfordernde an unserem katholischen, Glauben, dieser unerschöpfliche Reichtum. Das ist auch – wenn ich es einmal so sagen darf - das spannende, das beglückende und herausfordernde an Dir, mein Herr und mein Gott, und an dieser Beziehung, zu der Du mich einlädst, zu welcher ich eigentlich gar nicht fähig wäre, und hätte ich alle Weisheit und Erkenntnis dieser Welt, hätte aber den Glauben nicht, den ganzen, katholischen, allumfassenden Glauben einerseits und jene kindliche Einfalt, welche mich – auf Dein Wort hin – sagen lässt: «Abba, Vater.»

Amen