Heiligkeit ist kein Zustand,
sondern ein Weg.
 

Interview im "angelus", dem Pfarrblatt von Biel, vom 12.08.2006
Niklaus Baschung


In einem Leserbrief erklärten Sie: „Der gravierendste Missstand innerhalb der römisch-katholischen Kirche ist die Tatsache, dass sehr viele Gläubige, Laien wie Theologen, die konkrete Lehre dieser Kirche nicht mehr kennen“. Sie aber kennen die konkrete Lehre der Kirche?

Ich will als theologischer Laie nicht übertreiben, aber ich habe mehrmals den Katechismus der katholischen Kirche gelesen. Mich stört zum Beispiel ganz konkret, wenn in einer Predigt von einem Priester die Auferstehung auf ein rein spirituelles Ereignis reduziert wird. Im Katechismus wird dagegen gelehrt, die Auferstehung könne als ein historisches Ereignis nicht geleugnet werden. Mit solchen Widersprüchen wirkt die Kirche nicht glaubwürdig. In Predigten werden immer wieder persönliche Meinungen erzählt. Was aber wirklich zählt, ist die Meinung der Kirche.

Auch an einer Ausstellung auf dem Bieler Zentralplatz, welche die gemeinsamen Werte der Weltreligionen vorstellte, haben Sie keinen Gefallen gefunden. Sie sind eher dafür, dass sich die Religionen gegeneinander abgrenzen.

Mich beschäftigt nicht dieses Abgrenzen, sondern die Gleichgültigkeit vieler Menschen gegenüber Werten. Denn wo alles gleichermassen gültig ist, ist schlussendlich alles gleichgültig. Ich habe während den letzten siebzehn Jahren als Materialwart für eine Pfadiabteilung gearbeitet und grosse Veränderungen miterlebt. Während früher noch Zuverlässigkeit, Treue, Kameradschaft zentrale Werte waren, sind diese heute weniger wichtig. Das hängt für mich zusammen mit dem Verlust des Gottesbewusstseins.

Aber dieser von Ihnen dargestellte Wertezerfall sollte uns doch nicht daran hindern, nach verbindenden Werten der verschiedenen Religionen zu suchen?

Das Problem ist doch, dass es vielen Menschen egal ist, was sie glauben oder ob sie überhaupt glauben. Für mich aber ist der Mensch ein religiöses Wesen. Wer den Glauben nicht ernst nimmt, kann kein erfülltes Leben führen. Und wer seinen eigenen Glauben nicht ernst nimmt, kann auch den Glauben einer anderen Religion nicht schätzen.

Sie vertreten öffentlich in Religionsfragen immer wieder Minderheitsmeinungen. Was motiviert Sie dazu?

Vor einiger Zeit bin ich in meinem Bekanntenkreis zwischen die Fronten unterschiedlicher Papstkritiker geraten. Die einen haben den Papst kritisiert, weil dieser zu liberal, die anderen, weil er zu konservativ sei. Da habe ich deutlich gespürt, dass für mich das römische Lehramt neben all diesen selbsternannten Experten die glaubwürdige Quelle für meinen Glauben ist. Für diese römisch-katholische Kirche will ich mich auch einsetzen.

Nun haben Sie eine Buch-Anleitung „Heiligkeit für Anfänger“ geschrieben. Fühlen Sie sich selber denn bereits „heilig“?

Nein, ich fühle mich als Anfänger. Ich habe das Buch geschrieben, um mich selber zu leiten.

Sollten wir uns denn nicht zuerst bemühen „gute“ Menschen zu sein, bevor wir uns aufmachen, heilig zu werden?

Der Begriff „heilig“ bedeutet, eine Beziehung zu Gott zu haben. Diese Beziehung ist sehr individuell, sie kann am Anfang stehen oder weit fortgeschritten sein. Heiligkeit ist kein Zustand, sondern ein Weg. Wir müssen auch nicht unbedingt so heilig werden, dass wir heilig gesprochen werden. Wer eine Beziehung zu Gott hat, dem fällt es auch leichter, ein guter Mensch zu werden.

Sie zeigen verschiedene Wertvorstellungen als Wege zur Heiligkeit auf. So die „Bescheidenheit“. Dazu erklären Sie: „In meiner Beziehung zu Gott zählen immer nur die eigenen Sünden, die eigene Schuld“. Weshalb müssen Katholiken ein solch schuldbeladenes Gottesbild haben?

Ich will mit diesem Satz vor allem ausdrücken, dass ich über die Schuld anderer nicht urteilen kann und darf. Andererseits: Ein Gott, welcher mir alles verzeiht ist kein Gott, sondern ein Hampelmann. Wer seine Fehler nicht einsieht, der kann auch keine Fortschritte machen. Wer seine Schuld mitschleppt, kommt nicht vorwärts. Wir müssen uns auf dem Weg zur Heiligkeit zwar dort abholen, wo wir sind. Aber wir dürfen nicht an diesem Ort sitzen bleiben.

Sie erwähnen verschiedene Stolpersteine auf dem Weg zur Heiligkeit. Was ist für Sie selber der grösste Stolperstein?>

Der Stolz. Als ich zum ersten Mal dieses Buch in den Händen gehalten habe, da...

...da dürfen Sie doch darauf stolz sein.

Natürlich. Aber ich weiss ganz genau, dass ich es nicht alleine geschafft habe, dass Gott hier auch mitgewirkt hat.

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