Der Glaube

Teil 1 Kapitel 6, Seite 34 ff
Im Wissen um meine beschränkte Erkenntnis bekommt der Glaube einen sehr großen Stellenwert auf dem Weg zur Heiligkeit. Wenn ich Heiligkeit als Beziehung zu Gott definiere, und wenn ich weiß, dass eine Beziehung nur echt ist, wenn sie die ganze Person des anderen umfasst, dann muss ich möglichst viel über diese Person wissen. Wir haben aber gesehen, dass wir über Gott von uns aus eigentlich nichts Endgültiges wissen können. Gesichertes Wissen über Gott gibt es nur in der Offenbarung Gottes an uns. Nur im Glauben, im ganz bewussten "Ja" zu dieser Offenbarung erhalte ich solches Wissen über Gott.

Ich möchte hier nicht auf eine Beweisführung für die Offenbarung eintreten. Dazu reicht weder mein Wissen noch meine Ausbildung. Wenn ich aber Christ bin beziehungsweise sein will, dann glaube ich zuerst einmal, dass Gott sich uns geoffenbart hat, dass er zu mir sagt: "Ich bin der Herr, Dein Gott!" Dieser Glaube wirft dann die Frage auf, woher ich diese Offenbarung habe, da sich mir Gott ja nicht direkt und persönlich offenbart, zumindest nicht im Sinn einer Erscheinung oder dergleichen. Ich bin darauf angewiesen zu glauben, dass Gott sich seinem Geschöpf so offenbart, wie dieses Geschöpf ihn überhaupt erfahren kann. Der Mensch aber lebt und erfährt sein Leben in der Gemeinschaft. Darum offenbart sich Gott ihm in der Gemeinschaft, in der Gemeinschaft der Kirche. Wenn wir hier auf die Vielfalt Gottes zurückkommen, auf die Tatsache, dass niemand Gott ganz zu erfassen vermag, dann erklärt sich bis zu einem gewissen Grad die Vielfalt der Kirchen. Wenn wir aber die Größe Gottes sehen, dann ist für mich jene Kirche die echte, die diesen Gott in seiner größten Fülle verkündet, in jener Fülle, die mich einerseits massiv übersteigt, andererseits aber erlaubt die Beziehung zu Gott in jeder Situation meines Lebens zu pflegen bis hinein in Sünde und Schuld. Deshalb ist für mich die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche jene Gemeinschaft, in der sich Gott mir offenbart, in der ich glaube.

Der Glaube an die Vielfalt Gottes - was ja nichts anderes ist als der Glaube an die Größe Gottes - kann helfen, meine Zweifel zu überwinden. Zweifel am Glauben, den mir die Kirche lehrt, entstehen doch meist, wenn ich ein einseitiges Gottesbild habe, wenn ich Gott auf eine ganz bestimme Aussage reduziere, wenn Gott nicht mehr ein Gott ist, der meinen Verstand übersteigt. Gott ist nur dann ganz Gott wenn ich ihn nicht ganz begreife. Ich denke hier immer wieder an das Geheimnis der Dreifaltigkeit. Ein Gott in drei Personen, das ist unbegreiflich. Aber gerade in diesem Geheimnis zerreißt Gott den Schleier seiner Existenz, soweit dies für uns Menschen überhaupt fassbar ist.

Der Glaube an die Vielfalt Gottes hilft mir auch, meinem Wissen über ihn den richtigen Stellenwert zu geben. Was ich weiß, muss ich nicht glauben. Wenn ich aber glaube, was ich nicht weiß, was ich nicht mehr begreife, dann werden mir die Grenzen meines Wissens bewusst, dann wird mir auch der Unterschied, der Rangunterschied zwischen Gott und mir bewusst. Wissen ist schön. Glauben ist schöner, beides aber gehört zu meinem Menschsein und zu meiner Beziehung zu Gott. Beides gehört zu meinem Weg der Heiligkeit.
* * * * *