Die Dankbarkeit

Teil 1 Kapitel 9, Seite 41 ff
"Liebe ist ein anderes Wort für Dankbarkeit". Auch von diesem Ausspruch weiß ich nicht mehr, woher er stammt. Doch auch er drückt einen wichtigen Aspekt der Liebe aus, oder sollte man eher sagen, er drückt die obige Wahrheit in anderen Worten aus? Wenn ich die Dankbarkeit gegenüber dem anderen pflege, dann geschieht verschiedenes auf einmal. Zum einen gebe ich dem anderen den Platz in meinem Leben, der ihm gebührt, rücke ich ihn ins Zentrum, gebe ein Stück meines Egozentrismus auf, werde ich mir selber etwas weniger wichtig. Gleichzeitig aber werde ich mir in dem Sinn wichtig, als das Geschenk, die Handreichung oder was auch immer des anderen für mich enorm wichtig und wertvoll wird. Wenn ich Dankbarkeit pflege, steige ich vom hohen Ross herab und komme so dem anderen ein rechtes Stück näher. In der Dankbarkeit zeige ich, dass ich nicht unberührt bleibe, dass ich nicht unberührbar bin. Durch die Dankbarkeit zeige ich dem anderen auch seinen Wert, den Wert seines Tuns und Redens für mich und ermutige und ermuntere ihn so, weiter für mich da zu sein, wovon ich selber dann wieder reicher werde.

Dankbarkeit Gott gegenüber ist ebenfalls nichts anderes. Wenn ich Gott gegenüber dankbar bin, dann gebe ich ihm den Platz in meinem Leben, der ihm gebührt, dann anerkenne ich, dass alle guten Gaben - auch diejenigen, die ich im Augenblick nicht als solche erkenne - schlussendlich von ihm stammen. Dadurch gebe ich ein Stück meines Egoismus auf, werde ich mir ein Stück weniger wichtig. Dadurch werde ich mir aber auch bewusst, dass ich nicht alles alleine schaffen kann und muss. Und gleichzeitig erfahre ich die Wichtigkeit meiner Person in den Augen Gottes, der mir das alles schenkt. Denn, wäre ich ihm nicht so wichtig, welchen Grund hätte er, mich zu beschenken? Einerseits steige ich also durch die Dankbarkeit auch Gott gegenüber vom hohen Ross herab und komme ich ihm so ein Stück näher. Andererseits darf ich wohl ruhig auch annehmen, dass Gott denen lieber gibt, die seine Geschenke auch schätzen, als jenen, die diese als selbstverständlich hinnehmen.

Dankbarkeit Gott gegenüber ist zudem auch eine der besten Möglichkeiten, die wir haben, die Beziehung zu ihm zu pflegen. Was fehlt Gott, das ich ihm schenken könnte? Wenn also meine Beziehung zu ihm nicht einseitig sein soll, dann bleibt mir doch nur die Dankbarkeit. Eine einseitige Beziehung aber ist keine Liebe. Wenn Gott unsere Liebe fordert, so doch wohl zuerst in der Form der Dankbarkeit. Aus der Dankbarkeit nämlich wächst ein Gefühl, das ich getrost Liebe nennen kann. Und Dankbarkeit ist andererseits etwas, womit ich meine Liebe zeigen kann, auch wenn das Gefühl im Augenblick schweigt. Ja, Dankbarkeit ist sogar dann möglich, wenn mein ach so wichtiges, kleines "Ich" beleidigt ist.
Liebe zu Gott, so könnte man also auch sagen, ist einfach: "Ich danke Dir, mein Herr und mein Gott, dass Du das Zentrum meines Lebens bist!"
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