Eingangsgebet

Herr Jesus Christus, wahrer Sohn Gottes und wahrer Mensch. Mit Dir wollen wir jetzt auf Deinen Kreuzweg gehen. Schenke uns die Gnade, ihn in rechter Gesinnung zu betrachten, damit wir immer mehr der Früchte Deiner Erlösertat teilhaftig werden.

Überreich ist bei Dir die Erlösung, Herr. Und wenn meine Sünden rot wären wie Blut, in Deinem Blut werden sie weiss wie Schnee. Denn Du hast sie auf Dich genommen. In Deinem Leiden fängst Du die Folgen meiner Sünden auf, damit sie nicht auf mich zurückfallen, nicht in dieser Welt und nicht nach meinem Tod in der Ewigkeit.

So bitte ich Dich, hilf mir durch die Betrachtung Deines heiligen Leidens meine Sünden und Schuld immer besser zu erkennen, immer tiefer zu bereuen, und mich immer mehr zu bemühen, sie zu meiden.

Amen.

1. Station
Jesus wird zum Tod verurteilt

Herr Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, Du schweigst vor Deinem irdischen Richter. Du nimmst das ungerechte Urteil auf Dich.
Auch diejenigen schweigen, über die ich urteile. Sie schweigen, nicht weil mein Urteil gerecht ist. Sie schweigen, weil sie meist gar nicht wissen, dass ich über sie urteile und wie ich über sie urteile. Sie schweigen, weil ich zu feige bin, ihnen offen entgegenzutreten.
Oder sie schweigen, weil sie genau wissen, dass mein Urteil über sie schon längst gefällt ist, weil sie keine Chance sehen, an meinem Urteil noch etwas zu ändern, weil ich nicht hören und schon gar nicht verstehen will, was sie zu ihrer Rechtfertigung zu sagen hätten.
Ich bitte Dich, Herr, erinnere mich immer an Dein Schweigen, wenn ich versucht bin, ein Urteil über meinen Nächsten zu fällen. Hilf mir immer besser erkennen, dass mein menschliches Urteil meinem Mitmenschen nie ganz gerecht werden kann. Lass mich nie vergessen, wie ich vor Dir dastehen würde, wäre Deine Gerechtigkeit so unbarmherzig wie die meine.
Ich bitte Dich auch für alle, die unter meinem Urteil, direkt oder indirekt, leiden, für jene, die ich bei anderen schlecht mache und für jene, die sich von mir nicht ver-standen, unbarmherzig oder gar ungerecht beurteilt fühlen. Tröste Du sie durch Dein heiliges Leiden. Mich aber mache bereit und zeige mir Wege, mein Unrecht wiedergutzumachen.
Amen.

2. Station
Jesus nimmt das Kreuz auf sich

Herr Jesus, wahrer Mensch und wahrer Gott, Du nimmst das Kreuz auf Dich, das Kreuz, das meine Schuld Dir bereitet hat.
Auch ich behaupte, bereit zu sein, mein Kreuz auf mich zu nehmen. Aber eben nur mein Kreuz, das Kreuz, das ich mir selber zurechtlege, ein Kreuz, das mir wenn möglich noch Befriedigung schenkt.
Und wie leicht sage ich doch, dass eben jeder sein Kreuz zu tragen hat, wenn es um das Kreuz des anderen geht, wenn andere leiden.
Wie oft versuche ich anderen eine Last aufzuladen, die gar nicht für sie bestimmt ist. Wie oft glaube ich, der andere müsse die gleichen Opfer bringen wie ich.
Herr, ich bitte Dich, stärke mich, das Kreuz so anzunehmen, wie es für mich bestimmt ist, nicht aufzubegehren, wenn es mir zu schwer vorkommt, aber auch nicht mehr zu suchen, wenn es mich zu leicht dünkt. Herr hilf mir auch, mir nichts auf meine Bereitschaft zum Kreuztragen einzubilden.
Ich bitte Dich auch für all jene, die darunter leiden, wenn ich mit meinem Kreuz nicht zufrieden bin, wenn ich es nicht in Bescheidenheit und Fröhlichkeit trage, oder wenn ich versuche, ihnen Lasten aufzuerlegen, von denen ich glaube, dass sie sie tragen sollten. Mich zu ertragen, das allein ist schon Kreuz genug für sie. Herr, schenke Du ihnen die Gelassenheit dazu.
Amen.

3. Station
Jesus fällt zum ersten Mal

Herr, mein Gott, Du fällst unter Deinem Kreuz. Vielleicht lag ein Stein auf Deinem Weg. Oder hat Dir jemand das Bein gestellt?
Wenn andere fallen, wie leicht sage ich dann, sie hätten besser aufpassen müssen. Wie genau weiss ich dann, was sie falsch gemacht haben.
Wenn ich aber selber falle, wie schnell finde ich dann die Schuldigen, die mir Steine in den Weg gelegt, die mir ein Bein gestellt haben.
Und wie oft lege ich selber anderen Steine in den Weg, stelle ich ihnen das Bein, oft unbewusst, oft aber auch, weil ich nicht sehen will, dass meine Art zu sein, zu reden und zu handeln anderen zum Ärgernis wird.
Herr Jesus Christus, durch diesen Deinen ersten Fall, hilf mir, nicht über jene zu urteilen, die fallen, nicht andere zu beschuldigen, wo ich selber schwach werde, und
immer mich zu bemühen, den anderen die Steine aus ihrem Weg zu räumen, an denen sie sich auf ihrem persönlichen Weg zu Dir stossen könnten.
Ich bitte Dich, Herr, hilf allen, die durch mein Verhalten oder meine Schuld zu Fall kommen. Hilf Ihnen durch Deinen Fall, dass sie dadurch nicht zu Schaden kommen. Mir aber öffne die Augen, damit ich sehe, wie ich Ärgernis vermeiden und den angerichteten Schaden wiedergutmachen kann.
Amen.

4. Station
Jesus begegnet seiner Mutter

Herr Jesus Christus, Sohn Gottes und Sohn der Jungfrau Maria, auf Deinem Leidensweg begegnest Du Deiner Mutter. Leid und Mitleid begegnen sich. Wo ist wohl das Leid, wo das Mitleid grösser?
Ich frage mich, wie ich selber mit dem Leid umgehe. Kann ich in meinem eigenen Leid den anderen noch sehen, kann ich dankbar sein für sein Mitleid? Wie oft schliesse ich mich in mein Leid ein. Wie gerne lasse ich andere spüren, dass ich leide. Wie oft weiss ich sehr genau, wer an meinem Leiden schuld und wie unschuldig ich selber bin. Wie oft müssen andere leiden, weil ich leide.
Und wie gehe ich mit dem Leid anderer um? Wie schnell bin ich mit irgendwelchen frommen Sprüchen zur Hand. Oder wie schnell weiss ich, warum der andere an seinem Leiden selber schuld ist. Wie wenig überlege ich mir, ob ich nicht auch zumindest mitschuldig bin. Und wie oft ist mein Mitleid nur ein Alibi, um nicht helfen zu müssen?
Herr mein Gott, ich bitte Dich, gib mir die Kraft, mein eigenes Leiden aus Deiner Hand anzunehmen als Konsequenz meiner eigenen Schwächen und meiner eigenen Schuld. Hilf mir, mein Leid nicht gleich an die grosse Glocke zu hängen und schenke mir Geduld und Zufriedenheit auch im Leid.
Schenke mir auch, Herr, die rechte Art von Mitleid, dass ich schweige, wo Worte nur verletzen, dass ich immer da bin, wo andere mich brauchen, dass ich mich nicht aufdränge, wo Zurückhaltung nötig ist.
Ich bitte Dich auch, Herr Jesus Christus, für alle, die unter meiner Haltung leiden. Gib Ihnen die Kraft, meine Empfindsamkeit und mein Klagen zu ertragen, tröste Du Sie, wenn ich sie beschuldige oder verletze und ersetze Du, was an meinem Mitleid und an meiner Hilfsbereitschaft fehlt.
Amen.

5. Station
Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen

Herr Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch. Die Soldaten zwingen Simon, Dein Kreuz zu tragen. Und Du lässt Dir helfen.
So oft zwinge ich andere, mein Kreuz zu tragen, versuche ich das, was mir unangenehm ist, auf andere abzuwälzen. Oder ich verlange von ihnen, dass sie mindestens gleich viel tragen wie ich, dass sie die gleichen Opfer bringen, den gleichen Kreuzweg gehen.
Wie gerne verlange ich, dass andere mir helfen, wo ich mein Kreuz selber tragen könnte. Wie gerne profitiere ich von der Hilfsbereitschaft der anderen, und wie störrisch bin ich manchmal, wenn es darum geht mir wirklich helfen zu lassen. Wie oft bin ich zu stolz, um einzugestehen, dass ich Hilfe brauche, von Dir, Herr, oder von meinem Nächsten.
Manchmal versuche ich auch anderen meine Hilfe aufzudrängen, und zwar genau die Hilfe, die ich in meiner Überheblichkeit für sie als richtig erachte und vergesse dabei, wie verletzend solche Hilfe sein kann.
Herr mein Gott, ich bitte Dich, gib mir die Einsicht und die Kraft, anderen nichts aufzubürden, das ich selber tragen kann, andere nicht mit dem zu belasten, was ich selber zu bewältigen vermag. Hilf mir auch, Hilfe anderer nicht zu fordern und schon gar nicht sie als Selbstverständlichkeit anzusehen. Lehre mich jedoch, in Demut Hilfe anzunehmen, auch wenn dadurch mein Stolz verletzt wird.
Ich bitte Dich auch für alle, die unter meinem Egoismus, meinem Stolz und meinen Empfindlichkeiten leiden. Schenke Du Ihnen Kraft und Mut. Lohne Ihre Mühen und gib Ihnen Menschen, die Ihnen so helfen, wie sie es brauchen.
Amen.

6. Station
Veronika reicht Jesus das Schweisstuch

Herr Jesus Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott. Veronika sieht, wo sie helfen kann. Sie tut es ohne Wenn und Aber.
Wie oft sehe ich nicht, wo ich helfen könnte. Manchmal will ich es auch gar nicht sehen. Wie oft weiss ich nicht, wie ich helfen soll. Und dann dient mir meine Unsicherheit als Entschuldigung, um gar nicht zu helfen.
Wie oft frage ich vor dem Helfen, wer schuld ist, rufe ich nach denen, die meiner Meinung nach helfen müssten. Wie oft frage ich mich auch, was andere denken und weiss dann sehr schnell, warum ich nicht helfen kann.
Herr mein Gott, ich bitte Dich, zeige mir immer, wo und wie ich helfen kann, und lass es mich auch tun. Gib mir den Mut zu handeln, wo es nötig ist, und den Verstand, mich zurückzuhalten, wo ich nur noch mehr Geschirr zerschlagen würde. Nimm mir auch meine Angst vor den Mitmenschen und schenke mir das Fingerspitzengefühl, das Leidende brauchen.
Ich bitte Dich auch für all jene, bei denen ich versage, denen ich meine Hilfe, aus welchen Gründen auch immer, verweigere, denen ich schlecht oder falsch helfe. Stehe Du Ihnen bei. Schenke Du Ihnen Deinen Trost und Deine Hilfe. Mir aber hilf wiedergutzumachen, wo ich versagt habe.
Amen.

7. Station
Jesus fällt zum zweiten Mal  

Herr Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch. Zum zweiten Mal fällst Du unter dem Kreuz, das meine Schuld Dir aufgeladen hat.
Auch ich falle immer wieder in die gleichen Fehler. Immer wieder lade ich mir die gleiche Schuld auf. Und dann entschuldige ich mich mit den Fehlern der anderen. Ich kann nicht verzeihen, weil der andere mir nicht zuerst verzeiht, ich kann nicht lieben, weil der andere mich nicht zuerst liebt, ich kann nicht verstehen, weil der andere mich nicht zuerst versteht.
Und wie stolz bin ich, wenn ich einmal nicht gefallen bin. Um wie viel besser fühle ich mich, wenn ich nicht ganz so schlecht bin wie die anderen.
Herr mein Gott, ich bitte Dich, lass mich immer besser verstehen, dass es meine Schuld ist, die Dich zu Boden drückt. Hilf mir, die Welt zu verbessern, indem ich zuerst bei mir selber beginne. Lass mich nicht klagen über die Schuld und die Schlechtigkeit der anderen, sondern lass mich meine Schwächen immer wieder zum Anlass nehmen, meinen eigenen Stolz zu bekämpfen.
Ich bitte Dich auch, Herr Jesus, für alle, die unter meiner Überheblichkeit, meinem Stolz, meinem "Bessersein" leiden. Lass sie dadurch den Glauben an Dich und an sich selbst nicht verlieren. Stütze Du sie, dass sie in ihrem Streben nicht müde werden und hilf mir wiedergutzumachen, was ich an ihnen gefehlt habe.
Amen.

8. Station
Jesus begegnet den weinenden Frauen

Herr Jesus Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott. Auf Deinem Leidensweg begegnest Du den weinenden Frauen. Und diese ermahnst Du: "Weinet nicht über mich, weinet über euch und eure Kinder."
Wie oft gleiche ich den weinenden Frauen an Deinem Kreuzweg. Ich sehe Dein Leiden und weine über die Schlechtigkeit der Menschen. Natürlich weiss ich, dass auch ich Schuld trage an Deinem Leiden. Aber wie viel mehr doch die anderen, die grossen Sünder, die Gottlosen. Und dabei vergesse ich, dass mein Verrat, meine Sünde Dich mehr schmerzt, weil ich ja behaupte, Dich zu lieben.
Und wie oft stehe ich hilflos und weinend vor dem Leid meiner Mitmenschen. Ich weiss ganz genau, wie schlecht die Schuldigen sind. Und ich vergesse dabei, wie oft ich selbst zu Lasten anderer profitiere, wie ich selber anderen meine Meinung aufzwinge, wie wenig ich selber auf mein Recht verzichte, damit andere nicht leiden.
Herr mein Gott ich bitte Dich, lass mich immer besser erkennen, das ich nicht andere anklagen darf, solange ich selber egoistisch, selbstgerecht und besserwissend bin. Hilf mir zu verstehen, dass ich diese Welt nicht mit Klagen und Anklagen oder mit grossen Worten verändern kann, sondern nur indem ich den Weg gehe, den Du mir bestimmt hast und versuche, Tag für Tag ein wenig besser zu werden als ich am Tag zuvor war.
Herr hilf auch allen, die unter meiner Selbstgerechtigkeit leiden oder an meiner Scheinheiligkeit Anstoss nehmen. Hilf Ihnen, dabei nicht an Dir zu verzweifeln sondern lass sie spüren, dass sie ganz persönlich von Dir angenommen sind.
Amen.

9. Station
Jesus fällt zum dritten Mal

Herr Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, zum dritten Mal fällst Du unter der Last meiner Sünden. Und wieder stehst Du auf und gehst Deinen Weg zu Ende.
Wie oft weigere ich mich aufzustehen, wenn ich gefallen bin. Wie oft zweifle ich an Deiner Hilfe, sehe ich nicht auf Deine Barmherzigkeit, glaube ich nicht, dass Du auch meinen Fall zu meinem Besten wenden kannst, wenn ich dadurch ein bisschen von meinem Stolz und meiner Überheblichkeit ablege.
Wie oft, Herr, bin ich ganz anders, wenn andere fallen. Ich zeige mit dem Finger auf sie und hacke auf sie herum. Wie wenig bin ich dann davon überzeugt, dass Du zwar die Sünde hassest, aber den Sünder liebst.
Herr und Gott, ich bitte Dich, hilf mir durch Deinen dritten Fall meine eigene Schwäche besser zu erkennen und immer neu zu beginnen, mich zu bessern. Brich meinen Stolz und zeige mir, wie sehr ich selber Deiner Verzeihung bedarf. Dann werde ich erfahren, wie gut es ist, in Deine Barmherzigkeit zu flüchten.
Herr, hilf auch all jenen, denen ich in meinen Stolz nicht immer wieder helfe aufzustehen, wenn sie gefallen sind, die ich durch mein Verhalten und meine Worte verletze, denen ich keine Chance mehr gebe, gut zu werden. Zeige gerade Ihnen Deine Barmherzigkeit und hilf mir, immer mehr Zeuge und Bote Deiner Barmherzigkeit zu werden.
Amen.

10. Station
Jesus wird seiner Kleider beraubt

Herr Jesus, wahrer Mensch und wahrer Gott. Auf dem Leidensberg angekommen, wirst Du Deiner Kleider beraubt, blossgestellt.
Wie empfindlich reagiere ich, wenn man mich blossstellt, wenn man sich über mich lustig macht, wenn man meine Schwächen und Fehler aufdeckt. Wieviel lieber hänge ich mir doch ein Mäntelchen des Fromm- und Gutseins um, stehe ich bei den Menschen und vor Dir gut da.
Und wie gnadenlos oder gar brutal decke ich doch die Fehler der anderen auf, mache ich mich über sie lustig, stelle ich sie bloss. Wie unbarmherzig bin ich in meinem Urteil über solche, die nicht so sind, nicht so denken und handeln wie ich. Wie oft merke ich, dass es mich freut, wenn andere entlarvt werden, wenn ich andere entlarven kann.
Herr mein Gott, hilf mir, Kritik zu ertragen und daraus zu lernen, wie einseitig, ungerecht und unbarmherzig mein eigenes Urteil so oft ist. Hilf mir, meine Gedanken und meine Zunge zu beherrschen und lehre mich Barmherzigkeit zu üben, so wie Du barmherzig bist.
Ich bitte Dich auch für alle, über die ich geurteilt, deren Fehler und Schwächen ich blossgestellt habe. Lege Du um sie den Mantel Deiner Barmherzigkeit. Mir aber gibt die Kraft, den Mut und die Mittel, das Unrecht wieder gutzumachen, das ich angerichtet habe.
Amen.

11. Station
Jesus wird ans Kreuz genagelt

Herr Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch. Die Soldaten heften Dich ans Kreuz. Das ist anscheinend der Platz, wo Du hingehörst.
Ich frage mich, fixiere ich Dich nicht auch oft irgendwo? Teile nicht auch ich Dir eine ganz bestimmte Rolle zu? Glaube nicht auch ich oft, Du müsstest genau so und genau dort sein, wo ich mir das vorstelle? Erwarte ich nicht oft, Du seiest der rächende Gott für all die Bösen und vergesse dabei Deine Barmherzigkeit? Oder erwarte ich nicht für mich selber, Du seiest der immer Verzeihende und vergesse dabei Deine Gerechtigkeit? Suche ich Dich nicht allzusehr in frommen Übungen und vergesse dabei, dass Du auch in meinem Nächsten bist? Suche ich nicht immer wieder Zeichen und Wunder und übersehe dabei Deine wunderbare Gegenwart im allerheiligsten Sakrament?
Fixiere ich nicht auch meinen Nächsten immer wieder in mein Denkschema? Weiss ich nicht allzu oft genau, wo er hingehört? Gestatte ich ihm oft nicht, der zu sein der er ist, Dich so zu suchen, wie er Dich erlebt, mir unfassbar und unbegreiflich zu sein?
Herr mein Gott, fixiert zwischen Himmel und Erde, ich bitte Dich, lehre mich Deine Grösse und Unbegreiflichkeit immer mehr zu erahnen. Lass Dich für mich ein Gott sein, der all mein Denken und Wissen übersteigt, und lass Dich für mich ein Mensch sein, dem ich immer und überall begegnen kann.
Herr hilf auch all jenen, die ich in meiner Engherzigkeit in mein Schema pressen will, denen ich einen Platz in meiner Welt zuteile, den sie gefälligst einzunehmen haben. Lehre mich, dass meine Augen, mein Verstand und meine Gefühle nie fähig sein werden, einen Menschen auch nur einigermassen vollständig zu kennen. Denn auch er hat ja in sich ein Stück Deiner unendlichen Grösse.
Amen.

12. Station
Jesus stirbt am Kreuze

Herr Jesus Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott. Es ist vollbracht. Mit Deinem Erlösertod am Kreuz hast Du das Werk vollendet, das der Vater Dir aufgetragen hat.
Wenn ich sterbe, dann ist es wichtig, dass auch ich sagen kann: "Es ist vollbracht. Mit Deiner Hilfe habe ich das Werk vollendet, für das Du mich geschaffen hast." Wie oft, Herr, versage ich in der Erfüllung meiner Pflichten, im Beruf, in der Familie, in meiner Umgebung, in Politik und Gesellschaft und in meiner Aufgabe in Deiner Kirche. Wie oft drücke ich mich von meinen Aufgaben und Verantwortungen und verlasse mich darauf, dass Du alles wieder in Ordnung bringst, was ich versäume.
Wie oft auch kritisiere ich die anderen, die nach meiner Ansicht ihre Aufgaben nicht oder schlecht wahrnehmen. Und wie wenig bin ich bereit, ihnen zu helfen, nicht in Besserwisserei und Rechthaberei, sondern indem ich sie bescheiden und dienend unterstütze.
Herr und Gott, steh mir bei und lehre mich, all meine Aufgaben immer richtig, in voller Verantwortung vor Dir und meinen Nächsten zu erfüllen. Hilf mir immer klar zu erkennen, was Du in der konkreten Situation, in allen Bereichen meines Lebens, von mir erwartest. Rufe mich zurück an meine Pflichten, wenn ich mich zu drücken versuche, wenn ich mich in Aufgaben flüchte, die mir bequemer sind, wenn ich meine Pflicht zu beten vorschiebe, um meine Aufgaben als Mensch zu vernachlässigen.
Herr hilf auch allen, die unter meiner Pflichtvergessenheit leiden, die sich von mir im Stich gelassen oder verraten fühlen. Ersetze Du, was an meiner Unterstützung fehlt und gib mir offene Augen, Ohren und Hände, wo mein Dienst gefordert ist.
Amen.

13. Station
Jesus wird vom Kreuz genommen
und in Mariens Schoss gelegt

Herr Jesus Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott. Dein toter Körper liegt im Schoss Deiner jungfräulichen Mutter.
Wie schwer tue ich mich doch im Umgang mit dem Tod. Mein eigener Tod ist mir meist nur ein fernes Ereignis ohne Bezug zum Heute. Nur selten ist er für mich jene endgültige Entscheidung, auf die ich zugehe. Nur selten bestimmt er mein Handeln hier und jetzt. Oder dann wird für mich mein Tod, meine Endlichkeit und meine beschränkte Kraft zur Ausrede, um nicht handeln zu müssen, um die Lösung der Probleme Dir zu überlassen.
Und wie schwer tue ich mich auch mit dem Tod anderer, mit dem Tod meiner Freunde und Angehörigen, wo ich den Sinn, Deinen Willen, nicht sehen will, aber auch im Umgang mit dem Tod in meinem Bekanntenkreis, wo ich in der Begleitung der Hinterbliebenen versage, wo ich billige Sprüche statt echte Einfühlsamkeit habe, wo ich rede, wenn ich schweigen sollte und schweige, wo mein Wort nötig wäre.
Herr und Gott, lehre mich jeden Tag im Angesicht des Todes zu leben, damit mein Tod einst der Übergang, die Heimkehr zu Dir sei.
Stärke und tröste Du auch all jene, bei denen ich in der Begegnung mit dem Tod versage. Zeige Du ihnen, was menschliche Worte in dieser Situation nie vermitteln können. Mir aber schenke die Kraft, immer da zu sein, wo man mich braucht, und die Weisheit, wo ich etwas zu sagen habe und wo mein Schweigen hilfreicher ist.
Amen.

14. Station
Jesus wird ins Grab gelegt

Herr Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, Dein menschlicher Körper wird ins Grab gelegt und fordert meine Glauben heraus.
Auch wo meine Augen den Tod sehen, die Vernichtung, sollte ich doch bekennen: "Herr, wir preisen Deine Stärke." Doch wie oft sehe ich Deine Macht und Herrlichkeit nur dort, wo Du eingreifst, wo Du Gericht hältst, wo Du Rache übst und bestrafst. Wie wenig erkenne ich Deine Herrlichkeit dort, wo Du Geduld übst und Barmherzigkeit walten lässt.
Und wie oft fühle ich mich stark, wenn ich gut bin, wenn ich vor Dir oder vor den Menschen etwas geleistet habe. Wie wenig bin ich mir doch bewusst, dass meine eigentliche Grösse und Stärke dort liegt, wo Du an mir Barmherzigkeit zeigst und dort, wo ich dann um Deinetwillen selber Barmherzigkeit erweise.
Herr und Gott, lass mich nie vergessen, dass ich eigentlich nur aus Deiner Barmherzigkeit lebe. Hilf mir, dass ich mir nichts einbilde auf das, was ich glaube Gutes zu tun.
Stärke auch all jene, denen ich in meinem Wahn die Barmherzigkeit verweigere. Lass sie umsomehr Deine Barmherzigkeit spüren. Lass sie und mich verstehen, dass vor Dir nicht die Leistung zählt oder das Versagen aufgerechnet wird, sondern dass in Deinem Tod das Reich der Barmherzigkeit angebrochen ist.
Amen.

Schlussgebet

Herr unser Gott. Wir haben das Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus betrachtet. Wir haben uns bemüht zu sehen, wo wir - nicht die anderen - schuld sind an seinem Schmerz und seinem Leiden. Er hat alles auf sich genommen, damit unsere Schuld nicht auf uns zurückfallen muss. Er ist gestorben und Er ist auferstanden.
Durch sein heiliges Leiden schenke auch uns täglich die Auferstehung aus dem Tod unserer Selbstgerechtigkeit, damit wir unser Leben aus Seiner Barmherzigkeit heraus leben und das Leben der anderen durch unsere Barmherzigkeit erleichtern, bis auch für uns einst die Stunde kommt, wo wir für immer in Deine Herrlichkeit eingehen dürfen. Darum bitten wir durch Ihn, Christus, unsern Herrn.
Amen.